16.12.2009

Die Mordbuben von Eislingen

Im Frühjahr 2009 brachten der damals 18-jährige Andreas H. und sein 19-jähriger Freund Frederik B. mit 31 Schüssen die Eltern und die zwei Schwestern von Andreas H. im schwäbischen Eislingen um. Sie müssen sich vor der 6. Jugendkammer des Landgerichts Ulm wegen heimtückischen Mordes verantworten.
Wie auch schon bei den Amokläufen in Winnenden und anderswo ist vor allem ja – sowohl zum Verständnis der Tat selbst wie auch zur Vorbeugung weiterer ähnlicher Verbrechen – der Grund für die Morde interessant. -  Da Amokschützen meist nicht überleben ist es umso wichtiger, anhand von einer vordergründig unverständlichen Tat die Motive nachvollziehbar zu machen und aufzudecken.
Richter Gugenhan leistet hier sicher – wie meistens immer – sein Bestes. Und so ist im SPIEGEL oder der örtlichen SÜDWESTPRESSE das Eine oder Andere mittlerweile nachzulesen.
Und diese „Gründe“ machen nicht nur nachdenklich, sondern lassen viele Fragen offen und den Beobachter eher hilflos zurück.
So führt Andreas H. an,  sein Elternhaus sei schwierig gewesen, sein Vater autoritär, dominant und hätte ab und zu (nicht regelmäßig) geschlagen.  Zum 18. Geburtstag gabs nicht nur eine wertvolle Uhr, sondenr auch einen gemeinsamen Bordellbesuch.
Auch hätte ihn zwar seine Mutter wie einen „Prinz“ behandelt (er war das Nesthäkchen der Familie) aber seine beiden größeren Schwestern hätten ihn gehänselt.
Und schließlich sei die Familie auf einer gemeinsamen Schneewanderung in Nebel und die Dunkelheit geraten und – obwohl er nicht mehr weiter wollte – trotzdem zu einer höher gelegenen Schutzhütte aufgestiegen, was abends zu Spötteleien von Mutter und Schwestern ihm gegenüber geführt hätte.
So stellte sich dann die Frage, ob er sich umbringen solle oder seine Familie sterben müsste („Sie oder ich“)
Der Ausgang ist bekannt.
Ich habe viele Vorwürfe an die Eltern des Mörders von Winnenden gelesen. Sie hätten sich nicht um ihr Kind gekümmert und es alleine gelassen. Die Mordwaffe wäre leicht erreichbar gewesen. Gewaltvideos und Ego-Shooter seien im Spiel gewesen.
All dies trifft bei den beiden Jugendlichen so nicht zu.  Vielmehr haben sich die Eltern von Andreas um ein aktives Familienleben gekümmert. Davon zeugen Familienausflüge in die Berge (wohl regelmäßig), die ich auch mit meinen Kindern gemacht habe. Eine Erfahrung, die prägend und auch persönlichkeitsbildend sein kann.  – Sicher kann man über die Geschmacklosigkeit einer Einladung ins örtliche  Bordell sehr geteilter Meinung sein, aber auch dieser männliche Initiationsritus ist – man mag es bedauern – nach wie vor in einem Teil der Bevölkerung üblich.
Und hänselnde Geschwister sind eine absolut alltägliche Erfahrung in fast allen Familien mit mehreren Kindern.
Was also treibt einen intelligenten Jugendlichen (Wirtschaftsgymnasium) zu einer solchen Tat?
Die oben genannten Gründe sind mehr wie lau, es sind keine. Nicht stichhaltig. Andreas wuchs in einer „stinknormalen“ Familie auf.
Über Frederik B, wissen wir nicht viel, aber immerhin hat er Versuche unternommen, sich zu entschuldigen. Und seine Eltern nehmen Anteil am Geschehen und verfolgen die Verhandlung vor Ort. Ich denke, da haben die beiden nicht nur Leben zerstört, ihr eigenes Leben dazuhin, sondern auch die Überlebenden der Tragödie schwerst belastet.
Die Gradwanderung, die das Gericht gerade machen muss, ist auch nicht beneidenswert:
Hier geht es vor allem darum, daß nicht die wehrlosen toten Opfer im Nachhinein zu Täter(inne)n gemacht werden.
So geht es ja, wenn man die laschen Entlastungs-und Erklärungsversuche liest:
Dominanter Vater, stichelnde Schwestern, verwöhnende „Prinzen“mutter… dabei, so muss man sich immer wieder sagen, ist nichts ungewöhnlich, nichts besonders verwerflich. Es war halt eine Familie, wie wir sie alle (oft auch aus eigener Erfahrung) kennen. Eine ganz gewöhnliche Familie.
Nur – alle anderen Familien haben überlebt, gestritten, sich arrangiert oder sich versöhnt.
Die wirklichen Mordgründe wissen wir bis heute nicht.  Die Opfer aber sollten wir betrauern, die Überlebenden bemitleiden.
Die Täter … ach Herrgott, ich weiß es nicht. Es ist nur alles unvorstellbar schrecklich.

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