21.03.2010

Das Schweigen der Hirten

Routiniert betreiben Kirche, Bischöfe und der Papst die Schadensbegrenzung für flächendeckende sexuelle und andere Gewalt, denen die ihnen anvertrauten Kinder  ausgesetzt waren. Wobei zu fragen ist, warum hier immer in der Vergangenheit geredet wird. 

Wann endet eigentlich das Mittelalter, wenn dieses geprägt durch Hexenverfolgung, Frauenfeindlichkeit, Dämonisierung, Versklavung und Intoleranz gegenüber Wissenschaft und Fortschritt definiert wird?

Erst 1965 verkündete die katolische Kirche auf dem 2.Vatikanischen Konzil die Unvereinbarkeit zwischen Sklaverei und christlichem Glauben.
Und der Papstbruder Georg Ratzinger sagte am 9.03.2010 in der Passauer Neuen Presse: "Ich war dann froh, als 1980 körperliche Züchtigungen vom Gesetzgeber ganz verboten wurde. Daran habe ich mich striktissime gehalten, und ich war innerlich erleichtert."

Abgesehen einmal davon, daß Ratzinger damit die geistige Haltung eines Dreijährigen offenbart, der solange schlechte Manieren hat, bis ihm die Mama diese verbietet, dauern diese finsteren Zeiten - wie hier zugegeben - mal schon bis 1980 an.

Und standfest weigern sich die deutschen Bischöfe seit Jahrzehnten, die entsprechenden Gewalttäter der irdischen Gerichtsbarkeit auszuliefern, maximal gibt es Versetzung und/oder Amtsenthebung.

Zwar geloben die Bischöfe Besserung:
Sie betonen, dass "die frühzeitige Einschaltung der Staatsanwaltschaften" bei Missbrauchsfällen "besondere Bedeutung" habe - künftig (!) soll bei begründetem Verdacht dem Opfer zur Anzeige, dem Täter zur Selbstanzeige geraten werden.

Aber:
Nicht erst seit gestern allerdings gibt es klare Gesetze, die auch für die katholische Kirche gelten, betrachtet man sie nicht als Staat im Staate.
In §8a "Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung" heißt es:
"Besteht eine dringende Gefahr und kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen."
In §176 des Strafgesetzbuches «Sexueller Missbrauch von Kindern« steht:
"Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter 14 Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren bestraft."
 §225 des Strafgesetzbuches "Misshandlung von Schutzbefohlenen":
"Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr (bis zu 10 Jahren) ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt."
Diese Gesetze sind bindend, es gibt keine Sondergerichtsbarkeit der Kirche, sondern den zwingenden Auftrag an den Staat, zu handeln.

Hinter all dem Schweigen, daß nun erneut auch von Papst Benedikt praktiziert wird, der in seinem Hirtenbrief nur "auf die da drüben" (Irland) zeigt, steckt der Unwille, sich mit den Ursachen der Gewalt, die die Hirten reihenweise und jahrzehntelang gegenüber ihren Lämmern und Schäflein praktizieren und praktiziert haben, auseinanderzusetzen.

Die Abschaffung des Zölibats bedeutet einen mittelfristigen Machtverlust des vatikanischen Patriarchats, denn dem Wegfall des Zölibats würde die Ordination von Frauen folgen und eine Annäherung an die protestantischen Kirchen wäre eine weitere Konsequenz. Letztendlich stünde langfristig auch die Abschaffung des Papsttums zur Diskussion.

Und im Moment gleicht die mantra-ähnliche Beschwörung, daß die sexuelle Gewalt des Priestertums in der Vergangenheit, einer Art modernem Mittelalter, liege, dem Pfeifen im Walde.
Weitere Enthüllungen werden folgen. Nicht nur in Irland, Österreich und Deutschland. Denn es handelt sich um eine strukturelle, tief verwurzelte Gewalt, die, und das sei ausdrücklich betont, viel  verbreiteter ist, als heute diskutiert und aufgedeckt wird.
Daran sind oft ganze Familienverbände beteiligt. Jedes dritte Mädchen unter 18 Jahren wird beispielsweise Opfer sexueller Gewalt. - So berichtet es der katholische Mädchenverband in seinem Positionspapier aus dem Jahr 1994.


Dem Entsetzen folgt die Angst.
Der Angst folgt das Schweigen.
Dem Schweigen folgt die Handlungsunfähigkeit.
Der Handlungsunfähigkeit folgt die Mitschuld.
Das ist der immer wiederkehrende Kreis der Gewalt.
Bis heute. Und auch morgen.

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