07.06.2010

Sparen mit Bertelsmann- Einige Gedanken zur Zivilgesellschaft

Die meist hoch verschuldeten Kommunen ächzen unter den Folgekosten der Krise, den wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen, maroden Schwimmbädern und Straßen, steigenden Sozialausgaben, aber auch der Pflicht, z.B. Kita-Plätze für alle zu schaffen. Wohl der Gemeinde, die frühzeitig auf bürgerliches Engagement gesetzt hat.

Intelligentes Sparen beginnt nicht heute und hat wenig mit der Streichung von vermeintlichen "Wohltaten" zu tun. Vielmehr haben viele Städte erkannt, daß eine Bürgerbeteiligung von Anfang an, also von der städtebaulichen Planung bis hin zum eigenverantwortlichen Betrieb von Bürgerzentren und Jugendhäusern eine sehr viel zielgenauere Ausgabensteuerung ermöglicht.

Regionale Planungsgruppen, sozialraumorientierte Verwaltungen und themenorientierte Gesprächskreise (z.B. zur Kriminalprävention), in denen Vertreter der Verwaltung zusammen mit engagierten Bürgern gemeinsam geplante Projekte durchsprechen und verwirklichen, verhindern einerseits, daß am grünen Tisch danebengeplant wird und ermöglichen andereseits, daß Bürger in ihrem ureigensten Umfeld als Experten wahrgenommen werden und sich einbringen.

Während es seit viel Jahren äußerst schwierig ist, Menschen für das klassische Ehrenamt zu gewinnen, ist es zunehmend möglich, für zeitlich begrenzte Projekte und selbstverwaltete Bürgerzentren mit einer Budgetisierung zu gewinnen.

Vordergründig eine win-win Situation: Die Kommune plant zielgenauer, spart teure Expertisen, braucht weniger Hauptamtliche und verfügt durch das zur Verfügung gestellte Budget über eine wirksame Ausgabenkontrolle.

Menschen im Staddteil engagieren sich, erhalten gesellschaftliche Anerkennung und organisieren oft besser als die Kommune selbst das Gemeinschaftsleben vor Ort.

Die Politik spricht dabei von effizienter Verwaltung,  von bürgerlichem Engagement, von Dialogmodellen, Partizipation, mehr Lebensqualität, Eigenverantwortung  und vom Weg in die Zivilgesellschaft.
Soweit kann das Ganze durchaus mitgetragen werden.

Was aber, wenn über die örtlichen Bastel- Computer- und Musikkurse, Seniorenarbeit, Frauengesprächskreise, interkulturelle  Cafeterias etc. die Menschen politisch werden und eine Gesellschaftsbewegung von unten entsteht?

Basisdemokratie ist allerdings nicht vorgesehen und  nicht im Sinn von Kommunen, die intelligent  sparen wollen und freilich schon gar nicht im Sinne des ultimativen Think Tanks, nämlich der Bertelsmann-Stiftung, die das bürgerliche Engagement wesentlich mit auf den Weg gebracht hat.

Die Stiftung ist heute - wie es in einem kritschen Aufsatz von Rudolph Bauer heißt, von immensem Einfluß auf die deutsche Politik:
"Von den Kultusministerien bis zum Kanzleramt, von den Kommunalverwaltungen bis zum Amt des Bundespräsidenten gibt es kaum eine politische Behörde, die nicht mit der Stiftung kooperiert.“

So beschreibt die BS sich selbst in einem Flyer:
"Fundament der Stiftungsarbeit ist die Überzeugung, dass Wettbewerb und bürgerschaftliches Engagement eine wesentliche Basis für gesellschaftlichen Fortschritt sind ... [wir haben uns] die Verbesserung der Lebensqualität auf kommunaler und regionaler Ebene zum Ziel gesetzt: von der strategischen Steuerung in Politik und Verwaltung, der Beteiligung von Bürgern an lokalen Entscheidungsprozessen über die Leistungsfähigkeit kommunaler Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Bibliotheken bis hin zur Mobilisierung bürgerschaftlicher Kräfte etwa in Form von Bürgerstiftungen.“

Es geht, wenn die Zivilgesellschaft mit Bertelsmann und den kommunalen Verwaltungen definiert wird, also vor allem um Wettbewerb, Effektivitätssteigerung und das Outsourcen von Leistungen.  Den schönen Worten von der Bürgerkommune und der Bürgergesellschaft liegt ein durchaus altbekanntes  betriebswirtschaftliches Modell zugrunde, das sich zu Erfolgsberechnungen, Budgetisierung und  zur Effizienz bekennt. Ein neoliberales Konzept also.

Aufgepasst also:
Einen Teil des Weges in die Zivilgesellschaft können engagierte Bürger, denen auch am Wohl und Wehe ihrer Kommune gelegen ist, durchaus mitgehen. Selbstverwaltete Bürger-und Jugendzentren sind durchaus Elemente aus einem linken kommunalpolitischen Selbstverständnis. -  Hier kann auch über die Alltagsarbeit hinaus wieder Bewegung entstehen, Betroffene sich politisieren.

Bertelsmänner und Kommunen selbst haben ein anderes Interesse: Ihnen geht es ausschließlich um Konzepte, die Verwaltungen effektiver machen und die örtliche Wirtschaft entlasten.

Und das ist ein Zielkonflikt Bürger-Kommune, der nicht unterschätzt werden sollte.

Kleine Anmerkung:
Der Autor war maßgeblich an der Gründung eines  selbstverwalteten Bürgerzentrums  und eines Vernetzungsprojekts beteiligt und einige Jahre verantwortlich für eine budgetisierte Stadtteilarbeit.

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