Das große Sowohl-als-auch
Es ist schon ein Jammer, was Sigmar Gabriel im Spiegel-Interview zum
Thema Grass so von sich gibt. Das ist so glatt gewienert, dass man
nicht erkennen kann, ob der Mann jemals so was wie eine eigene Meinung
hatte oder nur die Summe der Worthülsen einer uralten opportunistischen
Partei in sich gesammelt hat und nun dort entsorgt.
Grass sei ein “streitbarer Literat”, der “weiterhin” der SPD im Wahlkampf helfen solle.
“Im Kern ist das Gedicht doch ein Hilferuf”, meint Gabriel.
Die “Verkürzungen” und “Gleichsetzungen” dürfe “man einem Sprachgewaltigen wie Günter Grass durchaus vorhalten”.
Es sei “absehbar, dass sich die selbsternannten Hüter der Political Correctness die Chance nicht entgehen lassen würden, endlich mal die große Keule gegen Grass auszupacken. Sie wollten es diesem von ihnen so genannten Gutmenschen endlich einmal richtig geben. Hinzu kam, dass Grass lange Zeit seine Mitgliedschaft als junger Mann in der Waffen-SS nicht öffentlich gemacht hat.”
Und Gabriels “politische Biografie ist durch Schriftsteller wie Günter Grass und auch Heinrich Böll geprägt.”
Nun, lieber Sigmar Gabriel, wenn es überhaupt einen gibt, der kein
Gutmensch ist, dann ist es einer, der im Vollbesitz seiner Sinne sich
nicht etwa zur Landesverteidigung meldet, sondern sich freiwillig der
Waffen-SS anschließt. Und das nun als Jugendsünde zu verharmlosen und
Kritiker von Grass in die engstirnige Ecke zu stellen, ist der “Sowohl”- Teil des berühmten Sowohl-als-auch-Prinzips der deutschen Spezialdemokratie.
Der “als auch”-Teil sind dann die Verkürzungen und
Gleichsetzungen des Günter Grass. Nur: Es gibt in diesem sogenannten
Gedicht keine solchen, sondern ein klar formuliertes antisemitisches
Feindbild. Und das ist mit letzter Tinte “wortgewaltig”geschrieben, so
wie er mit seiner ersten Tinte den Beitritt in die Waffen-SS unterschrieb.
Ein Hilferuf sei das Gedicht. Ein Hilferuf, den aufziehenden Krieg im
Nahen Osten zu verhindern. Falsch. Es ist ein Hilferuf nach
Aufmerksamkeit und gegen das Vergessen des Literaturnobelpreisträgers
selbst, der Angst hat, in der (ihm auch literarisch zustehenden)
Bedeutungslosigkeit zu versinken.
Sigmar Gabriel ist natürlich stromlinienförmig im
sozialdemokratischen Mainstream und hat selbstverständlich eine
Biographie, die sowohl von Grass als auch
von Böll geprägt ist. Wie die Biographien sämtlicher SPD-Vorsitzenden
vor ihm hat er eine solche Schmalspurkultur in sich. Die Zeiten, daß ein
Sozialdemokrat sagt, seine politische Biographie sei sowohl von Marx und Engels als auch von Rosa und Karl geprägt sind lang vorbei. Seit hundert Jahren bietet die SPD ein Bild des Jammers. Sowohl literarisch als auch politisch.
Danke Sigmar, daß Du das mal wieder sowohl klargestellt als auch bestätigt hast.
“So geht das nicht, sagt der alte Sozialdemokrat und spricht
… nur ändern, das will er nichts! “(Degenhardt)
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