19.04.2010

Ich hatt' einen Kameraden" - Lieder wir ablehnen, aber trotzdem kennen

Toter Soldat
Deine Feldpost im Regen der wie Feuer fällt

Toter SoldatUnd daneben der Segen der kein Wort mehr hält
(Ihre Kinder, T&M Ernst Schultz)




Nachdem jetzt  jede Maske gefallen ist, lohnt es sich einen Blick auf jenes Lied zu werfen, das eine nahezu 200-jährige Geschichte auf dem Buckel hat. Heute wird es wieder - während die "Helden" posthum einen Blechorden erhalten, von Kundus bis Berlin trompetet und in Männerchören angestimmt:
Ich hatt' einen Kameraden,
Einen bessern findst du nit.
Die Trommel schlug zum Streite,
Er ging an meiner Seite
In gleichem Schritt und Tritt.

Eine Kugel kam geflogen:
Gilt's mir oder gilt es dir?
Ihn hat es weggerissen,
Er liegt vor meinen Füßen
Als wär's ein Stück von mir

Will mir die Hand noch reichen,
Derweil ich eben lad'.
"Kann dir die Hand nicht geben,
Bleib du im ew'gen Leben
Mein guter Kamerad!" 



Das Goethezeitportal der LMU München hat hierzu Postkarten gesammelt, die von der regen Verbreitung des Kriegslieds zeugen:



Was aber macht dieses Lied so populär, daß es in nahezu jeder Generation eine Renaissance erfährt?


Es gibt Texte in der deutschen Kultur, die  eine bewegte Rezeptionsgeschichte haben. Wer ohne Probleme die folgenden Liedzeilen identifizieren und einem bestimmten Autor zuordnen kann, der muss für heutige Verhältnisse atypisch sozialisiert und gebildet sein: "Ich hatt einen Kameraden...."


Diese teils narzistisch anmutenden und teils martialisch gedeuteten Zeilen wurden zur Zeit des Freiheitskampfes gegen die Napoleonische Gewaltherrschaft gedichtet von Ludwig Uhland. Mit dem "Lied vom guten Kameraden" schuf er einen Text, der den Status einer hymnischen Verklärung des kriegerischen Solidaritätsgefühls in Einklang bringt mit dem Deutungspotenzial des Soldatentodes im Kampf gegen einen Feind.

130 Jahre nach der Entstehung des Uhland-Liedes haben  rund siebzehn Millionen Wehrmachtssoldaten "in gleichem Schritt und Tritt" Europa erobert und zerstört.. In der 2006 erschienenen Habilitationsschrift "Kameradschaft. Die Soldaten des nationalsozialistischen Krieges und das 20. Jahrhundert" versucht der inzwischen in Worcester (Massachusetts) lehrende Historiker Thomas Kühne, den Ursachen für die unbedingte Gehorsamsbereitschaft der deutschen Soldaten nachzuspüren.

Kühnes soziologisch-mentalitätsgeschichtliche Methodik geht dabei von der Beobachtung aus, dass:
"es im Zweiten Weltkrieg nicht einmal Ansätze kollektiven Protests oder kollektiver Verweigerung auf breiterer sozialer Basis [gab]. Der Zusammenhalt der Wehrmacht und ihre militärische Effizienz blieben bis zur Kapitulation ungebrochen."

Das ständig receycelbare Lied vom "guten Kameraden" weckt kollektive Männerträume, von einer Parallelgesellschaft ohne Frauen mit richtigen Männerfreundschaften bis über den Tod hinaus, mit einem immer wieder auswechselbaren, aber kriegerischem Ziel, das mann mit "Schritt und Tritt" erreicht.

Kühne weiter: "Kameradschaft leitete nun eine Kultur der Scham an, in der das Denken, Fühlen und Handeln in Kategorien individueller Lebensführung und persönlicher Verantwortung abgelöst war vom Diktat einer Moral, die nur erlaubte, was dem physischen Erhalt, dem sozialen Leben und dem Prestige der eigenen Gruppe dienlich war."

Wir können den Faden jederzeit wieder aufnehmen:
Erst gestern warnte Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker vor einer Fortsetzung der Debatte über den Afghanistan- Einsatz. Es sei Strategie der Taliban, die politische Entschlossenheit von Regierung und Parlament in der Heimat zu beeinträchtigen....
  • Wer nicht für den Krieg ist, ist unkameradschaftlich und in der weiteren Konsequenz, ein Vaterlandsverräter.
Und so spielt das Lied vom guten Kameraden in vielen Sprachen eine Rolle, es klingt dabei auf englisch genauso wie in italienisch, spanisch  oder sonst irgendeiner kriegsführenden Sprache:

  • In battle he was my comrade, None better I have had. The drum called us to fight, He always on my right, In step, through good and bad.
  • Io avevo un camerata / che miglior non avrò mai /una parte del mio cuore /è rimasta insieme a lui /resterai con me al mio fianco / col mio passo tu marcerai
  • Yo tenía un camarada,/ entre todos el mejor./ Siempre juntos caminábamos, / siempre juntos avanzábamos, / | al redoble del tambor.
  •  
Die einzige "linke" Version des "guten Kameraden" kommt im Übrigen von Heinz Kahlau, der 1973 daraus das Lied: Rettet Luis Corvalan machte:
Nach dem Putsch vom 11. September 1073 in Chile wurde der damalige Kommunistenführer Corvalan verhaftet, kam später aufgrund einer weltweiten Solidaritätsbewegung aber frei. Daher zum Abschluß das sehr pathetische Lied, das aber im Gegensatz zu allen anderen Versionen aber nicht beim Töten half, sondern einen Menschen rettete:
Als des Volkes Tag zu Ende
und die Junta-Nacht begann,
da erschossen sie Allende,
und in die Faschistenhände
fiel auch Luis Corvalan.
Weil er die Genossen führte
in der Unidad Popular,
Chiles Kraft und Hoffnung schürte,
das am neuen Leben spürte,
was der Sozialismus war.
Soll er nicht wie Thälmann fallen,
weil er für die Freiheit steht,
liegt sein Leben bei uns allen
muß der Ruf des Zorns erschallen
unsrer Solidarität.
Wie die Feinde es auch schänden,
Chiles neuer Tag bricht an.
Soll das Joch der Junta enden,
dann entreißt den Mörderhänden
unsern Luis Corvalan.
Quellen:
ingeb.org/Lieder/IchHattE.html
erinnerungsort.de/rettet-luis-corval-e1n-_165.html
www.goethezeitportal.de/index.php?id=3991
www.ihrekinder.com/ik/KlarText/index.htm
www.focus.de/politik/schlagzeilen?day=20100418&;;did=1278606
www.emmemm.de/chile1973/
www.hdg.de/lemo/html/biografien/KahlauHeinz/index.html

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